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Less is more: Miniatursonden erobern die Welt der hochauflösenden Mikroskopie

August 2015. Um zelluläre Prozesse im Detail verstehen zu können, strebt die Wissenschaft seit Jahrzehnten danach, diese in Echtzeit zu beobachten. Dies ist vor allem wichtig, um heraus zu finden, welche Prozesse bei Erkrankungen fehlreguliert sind. Läuft beispielsweise ein Signalweg in einer Krebszelle anders ab als in einer gesunden Zelle? Seit vielen Jahren schon werden menschliche Zellen und auch deren Kompartimente, wie etwa der Zellkern oder das Zellskelett, im Mikroskop beobachtet. Die Technik der hochauflösenden Mikroskopie, die dieses Jahr mit dem Nobelpreis honoriert wurde, eröffnete ihrerseits ganz neue Möglichkeiten. Die trickreiche Umgehung der bisherigen Auflösungsgrenze ermöglicht es nun sogar, einzelne Proteine und Moleküle zu untersuchen. Damit Proteine im Mikroskop sichtbar sind, werden sie meist auf DNA-Ebene mit sogenannten fluoreszierenden Proteinen fusioniert. Diese konventionelle Markierungsmethode birgt allerdings einige Nachteile. Nicht nur, dass die Funktion der Proteine durch so große Sonden beeinträchtigt werden kann, durch die Größe der fluoreszierenden Proteine befindet sich die eigentliche Markierung auch in - auf molekularer Ebene - sehr großer Entfernung vom zu beobachtenden Protein. Das gleiche Problem tritt bei der ebenfalls weit verbreiteten Markierung mittels Antikörpern auf. Auch hier kann die große Distanz zwischen Protein und Sonde zu fehlerhaften Beobachtungen führen.

Um dieses Problem zu umgehen, haben Wissenschaftler der Goethe-Universität Frankfurt nun sehr kleine Markierungssonden für hochauflösende Mikroskopie entwickelt. Diese Methode funktioniert nach dem Schlüssel-Schloss-Prinzip: Das zu beobachtende Protein wird nur mit einer sehr kleinen Sonde, einem Histidin-Tag fusioniert. An diesen bindet spezifisch das fluoreszenzmarkierte Molekül tris Nitrilotriessigsäure (trisNTA). Da beide Teile der Sonde extrem klein sind, befindet sich die fluoreszierende Markierung sehr nahe am Protein. Die Entfernung beträgt nur zwei Nanometer (zwei milliardstel Meter), was rund zehnmal näher ist als bei konventioneller Antikörpermarkierung.

In enger Zusammenarbeit zwischen den Gruppen um die Professoren Mike Heilemann und Robert Tampé (beide Goethe-Universität Frankfurt) wurde diese Technik namens SLAP („Small LAbeling Pair“) entwickelt und in hochauflösender Mikroskopie angewendet. So konnten beispielsweise Bestandteile des Zellskeletts mit einer Auflösung von 40 Nanometern dargestellt werden. Der große Vorteil dieser Methode zeigte sich auch bei der Markierung von Komponenten der Antigen-Prozessierung. Diese essentielle Maschinerie des adaptiven Immunsystems sorgt dafür, dass Fragmente von Erregern, etwa Viren, auf der Zelloberfläche präsentiert werden. Dadurch werden infizierte Zellen vom Immunsystem als solche erkannt und eliminiert. Dank der neuen SLAP-Markierungsmethode kombiniert mit der hochauflösenden Mikroskopie konnte die Größe dieser Proteinkomplexe nun auf etwa 50 Nanometer eingegrenzt werden. Durch die konventionelle Markierung mittels Antikörpern hingegen wurde der gleiche Komplex künstlich vergrößert dargestellt. Da die SLAP-Markierungsmethode für andere Wissenschaftler leicht anwendbar ist, sind die Frankfurter Forscher überzeugt, damit auch auf längere Sicht einen Beitrag zur genaueren Darstellung von krankheitsrelevanten zellulären Prozessen geleistet zu haben. Weitere Informationen ...

 

Kontakte:
Mike Heilemann, Institut für Physikalische und Theoretische Chemie, Heilemann@chemie.uni-frankfurt.de
Robert Tampé, Institut für Biochemie, tampe@em.uni-frankfurt.de
Goethe-Universität Frankfurt, Max-von-Laue-Straße 9, 60438 Frankfurt am Main

Veröffentlichung:
Wieneke R, Raulf A, Kollmannsperger A, Heilemann M, Tampé R (2015) SLAP: Small labeling pair for single-molecule super-resolution imaging. Angew Chem 127:10354–10357. Link