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Trickreiche Transportmoleküle

Juli 2019. Fast alle Lebewesen – von der Bakterie bis zum Menschen – beherbergen in ihren Zellmembranen schleusenartige Proteinkomplexe, die unerwünschte oder lebensgefährliche Moleküle hinausbefördern. Nicht immer zum Vorteil des Menschen, denn in Bakterien oder Krebszellen sind die sogenannten ABC-Transporter auch verantwortlich für Resistenzen gegenüber Antibiotika oder Chemotherapie. Nun ist es Forschern der Goethe-Universität zusammen mit Kollegen des Frankfurter Max-Planck-Instituts für Biophysik gelungen, den Transportmechanismus in allen Stadien zu entschlüsseln.

In den vergangenen fünf Jahren hat die Gruppe von Robert Tampé vom Institut für Biochemie der Goethe-Universität intensiv daran gearbeitet, Proben empfindlicher Membranprotein-Komplexe so zu präparieren, dass man sie mit Kryo-Elektronenmikroskopie untersuchen kann. Die Kryo-Elektronenmikroskopie liefert hochaufgelöste Bilder, weil sie Moleküle einfriert, so dass Unschärfen durch Bewegungen minimiert werden.

Will man komplexe Moleküle wie ABC-Transporter nicht nur scharf abbilden, sondern ihnen auch bei der Arbeit zuschauen, braucht man Momentaufnahmen verschiedener Stadien. Die Biochemiker um Tampé konnten diese Stadien gezielt herbeiführen, indem sie den Transporter mit unterschiedlichen Konzentrationen von ATP und ADP versorgten. Denn ohne die auf diesem Weg zugeführte Energie kann der Transporter nicht Moleküle gegen das Konzentrationsgefälle zwischen dem Zellinneren und seiner Umgebung befördern.

In der aktuellen Ausgabe der Fachzeitschrift Nature zeigen das Team um Robert Tampé und Elektronenmikroskopiker Arne Möller, Gruppenleiter am Max-Planck-Institut für Biophysik, acht hochaufgelöste Konformationen eines ABC-Export-Komplexes, der aus zwei verschiedenen Protein-Untereinheiten besteht. Erstmals konnten die Forscher auch Zwischenstadien des Transportprozesses sichtbar machen. Die Herausgeber von Nature haben diese bedeutsame Entdeckung als Titelgeschichte der Ausgabe ausgewählt.

„Die Arbeit könnte zu einen Paradigmen-Wechsel in der Strukturbiologie führen, da alle Bewegungszustände einer zellulären Maschine in fast atomarer Auflösung aufgeklärt werden konnten", erklärt Robert Tampé. „Aufgrund dieser unerwarteten Entdeckung können wir bisher kontrovers diskutierte Fragen zum Transportmechanismus der ABC-Transporter beantworten, die von besonderer medizinischer Bedeutung sind." Darüber hinaus konnten die Forscher erstmals beobachten, wie sich die Schleusen nach außen oder innen öffnen. Die Auflösung von 2,8 Angström (Zehnmillionstel eines Millimeters) ist die höchste Auflösung, mit der je eine ABC-Transporter-Struktur mithilfe der Kryo-Elektronenmikroskopie abgebildet wurde. „Diese Arbeit zeigt auf besondere Weise die einzigartige Eigenschaft der Kryo-Elektronenmikroskopie, Schnappschüsse einer hochdynamischen molekularen Maschine aufzunehmen und diese so bei der Arbeit zu beobachten," sagt Arne Möller und ergänzt: „Unser Ansatz sollte sich leicht auf eine ganze Reihe weiterer Proteine anwenden lassen.“

Link zum Nature Artikel...

 

Kontakte:
Robert Tampé, Institut für Biochemie, Goethe-Universität Frankfurt, tampe@em.uni-frankfurt.de
Arne Möller, Max-Planck-Institut für Biophysik, arne.moeller@biophys.mpg.de
Frankfurt am Main

 

Publikation:
Susanne Hofmann#, Dovile Januliene#, Ahmad R. Mehdipour#, Christoph Thomas, Erich Stefan, Stefan Brüchert, Benedikt T. Kuhn, Eric R. Geertsma, Gerhard Hummer, Robert Tampé* & Arne Moeller* (2019) Conformation space of a heterodimeric ABC exporter under turnover conditions. Nature, published online 17 July 2019, https://doi.org/10.1038/s41586-019-1391-0 (link)