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Presenilin und die Entstehung von Alzheimer
30. April 2010 - FRANKFURT. Mit zunehmender Lebenserwartung in den Industrieländern steigt auch die Zahl der Demenz-Erkrankungen. Zu 60 Prozent gehen diese auf die Alzheimer’sche Krankheit zurück, die durch den Verlust bestimmter Neuronen in der Großhirnrinde verursacht wird. Verantwortlich dafür sind, so der derzeitige Kenntnisstand, nicht die sichtbaren Ablagerungen oder Plaques im Gehirn, sondern deren Vorstufen. Das sind kürzere kleinere Proteinaggregate aus dem Beta-Amyloid-Peptid. Gelingt es, deren Entstehung zu verhindern, sollte die Krankheit nicht auftreten. Doch wie und wo kann man in diesem Prozess eingreifen? Bisher wusste man nur, dass das Enzym mit dem sprechenden Namen „Presenilin“ an der Entstehung von Beta-Amyloid-Peptid beteiligt ist. Wie es genau funktioniert, war unbekannt, weil die Struktur des wasserunlöslichen Proteins mit herkömmlichen Methoden nicht zugänglich war. Wie Frankfurter Forschern in den „Proceedings der National Academy of Sciences“ berichten, ist es ihnen nun gelungen, einen Teil der Struktur von Presenilin aufzuklären.
Um biologische Strukturen mit den herkömmlichen Methoden der Molekularbiologie aufklären zu können, müssen sie wasserlöslich sein und in ausreichenden Mengen zur Verfügung stehen. Beides trifft auf das Presenilin nicht zu, weil es in der Lipidschicht der Zellmembran verankert ist. Daher mussten die Wissenschaftler sich bisher auf Computersimulationen verlassen. Diese sagten aber zumindest für eine Teilstruktur des Enzyms unterschiedliche Wirkmechanismen voraus. Der Arbeitsgruppe um Prof. Volker Dötsch vom Institut für Biophysikalische Chemie der Goethe Universität und dem Frankfurt Institute of Molecular Life Sciences (FMLS) ist es nun gelungen, die Struktur dieses entscheidenden Teils des Presenilins experimentell aufzuklären. Sie benutzte dabei ein seit mehreren Jahren am Institut entwickeltes Verfahren zur Herstellung von Membran-Proteinen, bei dem die zelluläre Maschinerie zur Proteinsynthese im Reagenzglas isoliert wird. Die Mitarbeiter des Institutes um Frank Bernhard konnten mit diesem Trick die für detaillierte Strukturuntersuchungen benötigten großen Mengen an Membran-Proteinen gewinnen.
Abbildung: Schematische Darstellung der Ausbildung von Plaques in den Gehirnen von Alzheimer-Patienten. Dabei wird ein Membran gebundenes Protein, das Beta-Amyloid Vorläufer Protein, von einem ebenfalls in der Membran verankerten Protease-Komplex in zwei Teile zerschnitten. Der grüne, aus der Zeller herausragende Teil (grün), bildet zunächst kleinere Aggregate, die sich dann zu Plaques zusammenlagern. Forscher der Goethe-Universität die Struktur der C-terminalen Domäne von Presenelin und ihren Wirkungsmechanismus in der mit Wasser gefüllten Reaktionskammer (hellblau) aufgeklärt.
Anschließend bestimmte die Arbeitsgruppe von Volker Dötsch die Struktur des Teilstücks von Presenilin mithilfe der NMR-Spektroskopie. Die Daten ließen erkennen, dass die Aminosäure, die an dem Zerschneiden des Beta-Amyloid-Vorläufer-Proteins beteiligt ist, tatsächlich mitten in der Membran sitzt. Weil Proteasen ihre Arbeit nur in wässriger Umgebung verrichten können, hatte man früher angenommen, dass es erst zu einer Verletzung der Membran kommen muss. Weitere Untersuchungen der Frankfurter Forscher zeigten allerdings, dass die betreffende Aminosäure wahrscheinlich an der Ausbildung einer wassergefüllten Aushöhlung innerhalb der Membran beteiligt ist. Darauf hatte es bereits Hinweise in ektonenmikroskopischen Aufnahmen gegeben. Die nun ermittelte Struktur des C-terminalen Teils von Presenilin zeigt darüber hinaus zum Teil recht ungewöhnliche Strukturen, wie Helices, die parallel zur Membran-Oberfläche liegen. „Das könnte erklären, warum die Strukturvorhersage so schwierig war“, meint Dötsch, „Interessanterweise existieren in einer bakteriellen membrangebundenen Protease (GlpG) ähnliche Strukturelemente. Die nun in Presenilin identifizierten Strukturen könnten für die ganze Klasse der membrangebundenen Proteasen charakteristisch sein“.
Bis diese Struktur zur Entwicklung von Medikamenten für die Behandlung von Alzheimer Patienten führen wird, sind Dötsch zufolge noch viele Einzeluntersuchungen notwendig: „Es ist wie beim Zusammenfügen eines großen Puzzles: die jetzt ermittelte Struktur ist nur ein kleiner, aber wichtiger Teil darin. Sie stellt gewissermaßen einen Teil des Zentralmotivs dar.“
Publikation: Sobhanifar S, Schneider B, Löhr F, Gottstein D, Ikeya T, Mlynarczyk K, Pulawski W, Ghoshdastider U, Kolinski M, Filipek S, Güntert P, Bernhard F, Dötsch V (2010) P Natl Acad Sci USA. 2010 [Epub ahead of print]
http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/20445084
Informationen: Prof. Volker Dötsch, Institut für Biophysikalische Chemie und Frankfurt Institute of Molecular Life Sciences (FMLS), Campus Riedberg, Goethe-Universität Frankfurt, Tel.: (069) 798-29631, vdoetsch@em.uni-frankfurt.de
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