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Zügel aus Licht: Ein Lebenswesen lässt sich optisch zuverlässig lenken

Januar 2011. Einem Forscherteam aus Frankfurt und Atlanta ist es erstmals gelungen, die Bewegungen eines Lebewesens allein durch Lichtsignale gezielt und dauerhaft zu steuern. Damit hat es das Repertoire der in Frankfurt erfundenen Optogenetik beträchtlich erweitert. Die Ergebnisse seiner Studien am Fadenwurm C. elegans wurden jetzt in „Nature Methods“ vorab online veröffentlicht. Die renommierte Fachzeitschrift hatte die Optogenetik im Dezember 2010 zur naturwissenschaftlichen Methode des Jahres gewählt.

„Wir können spezifische Zellen und Regionen im Nervensystem eines frei beweglichen Fadenwurms durch Licht erregen oder hemmen und die Beleuchtung automatisch in einer konstanten anatomischen Position halten, während das Tier sich bewegt und gefilmt wird“, erläutert Prof. Alexander Gottschalk, Arbeitsgruppenleiter im Exzellenzcluster Makromolekulare Komplexe und einer der Pioniere der Optogenetik. Anknüpfend an Arbeiten der Professoren Georg Nagel und Ernst Bamberg vom Frankfurter Max-Planck-Institut für Biophysik hatte er als Juniorprofessor der Goethe-Universität 2005 gezeigt, dass sich Nervenzellen des Fadenwurms durch Licht aktivieren lassen, wenn ihnen gentechnisch ein lichtempfindliches Molekül eingepflanzt worden ist. Dieses Molekül, das Protein Channelrhodopsin-2 (ChR2), hatten Nagel und Bamberg, zusammen mit Prof. Peter Hegemann von der Humboldt-Universität Berlin, drei Jahre vorher aus Grünalgen isoliert. ChR2 ist ein Ionenkanal in der Membran der Alge, der sich öffnet, wenn blaues Licht auf sie fällt: So kann sie sich optimal zur Sonne hin ausrichten, woher sie die Energie zur Photosynthese bezieht. Später fanden die Frankfurter Forscher auch Proteine, die Nervenzellen unter gelber oder grüner Bestrahlung hemmen. Dem entsprechend ziehen sich die Muskeln eines gentechnisch präparierten Fadenwurms unter blauem Licht zusammen, während sie sich unter gelbem oder grünem Licht entspannen.

Der kaum millimetergroße, durchsichtige Fadenwurm besitzt genau 302 Nervenzellen, deren Lage und Verschaltung bekannt sind. Die Funktion seines Nervensystems lässt sich durch optogenetische Methoden wesentlich leichter untersuchen als früher durch Elektroden, chemische Stimuli oder Berührungsreize. Allerdings war es bisher nicht möglich, solche Studien über längere Zeit durchzuführen. Denn die Tiere entwischten dem Lichtkegel, wenn sie sich bewegten. Diese Hürde überwand das Team um Gottschalk, indem es ein relativ preiswertes Mikroskopsystem konstruierte, als dessen Lichtquelle ein dreifarbiger LCD-Projektor dient. Eine ausgeklügelte Software erlaubt es, die Farbwahl zu programmieren und die Lichtquelle automatisch den Bewegungen des Wurms folgen zu lassen. Werden zum Beispiel die Bewegungsneuronen seines Kopfes in regelmäßigen Intervallen blau bestrahlt, dann schlängelt sich sein Körper in Form eines Dreiecks. Bestreicht man die Länge seines Körpers mit blauem Licht, dann wechselt er seine Bewegungsrichtung, je nachdem, ob die vorderen oder hinteren Berührungsneuronen beleuchtet werden. Auch die Abhängigkeit der Bewegungsreaktionen des Wurms von verschiedenen Lichtintensitäten lässt sich unter dem Mikroskop filmen. Wie an leuchtenden Halsbändern geführt erscheint das Tier, wenn man es abwechselnd mit blauem oder grünem Licht bestrahlt und es dabei jeweils seine Bewegungsrichtung ändert.

Langfristig eröffnet die Arbeit des deutsch-amerikanischen Teams viel versprechende Perspektiven für die Neurowissenschaften. Sie gibt ihnen eine aussagekräftige Methode an die Hand, um die Funktion bestimmter neuronaler Schaltkreise und das daraus resultierende Verhalten nicht-invasiv erforschen zu können.

Informationen:
Prof. Dr. Alexander Gottschalk, Institut für Biochemie, Campus Riedberg, Tel.: +49 69 7982-9261, e-mail: a.gottschalk@em.uni-frankfurt.de

Publikation:
Stirman JN, Crane MM, Husson SJ, Wabnig S, Schultheis C, Gottschalk A, Lu H (2011) Real-time multimodal optical control of neurons and muscles in freely behaving Caenorhabhditis elegans. Nat Methods:published online 16 January 2011, DOI: 10.1038/NMeth. 1555 [link]