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Wie Hefezellen ihren Fetthaushalt regulieren
Juni 2016. Nicht nur der Mensch, sondern jede seiner Körperzellen muss auf ihren Fetthaushalt achten. Insbesondere in der Zellmembran erfüllen Fette hoch spezialisierte Funktionen. Wie Hefezellen die Verfügbarkeit von Fetten in der Nahrung messen und die Produktion ihrer Membranfette daran anpassen, hat eine Frankfurter Forschergruppe am Buchmann Institut für Molekulare Lebenswissenschaften (BMLS) der Goethe Universität zusammen mit Kollegen am Max-Planck Institut für Biophysik jetzt herausgefunden. Damit eröffnen sich neue Möglichkeiten, die Produktion und Verteilung verschiedenster Fettsäuren und Cholesterin in den Zellen unseres Körpers besser zu verstehen und in Zukunft kontrollierbar zu machen, berichten die Forscher in der aktuellen Ausgabe des Journals „Molecular Cell“.
Ein Blick in das Kühlregal des Supermarktes zeigt: Wenig Fett, weniger Fett und gar kein Fett liegen im Trend. Doch Fette sind essentiell für das Überleben unserer Zellen, denn sie bilden das Grundgerüst der biologischen Membranen, welche die Zelle nach außen hin abgrenzen und nach innen in Funktionseinheiten unterteilen. So können gegenläufige Prozesse wie der Aufbau von Energiespeichern und die Fettverbrennung getrennt voneinander in derselben Zelle ablaufen.
„Die Membranfette haben eine Vielzahl lebenswichtiger, zellulärer Funktionen. Sie beeinflussen die Signalübertragung zwischen den Zellen, aber auch innerhalb einer Zelle“, erklärt Robert Ernst, dessen Forschergruppe am BMLS den versteckten Funktionen der Fette schon seit Jahren auf der Spur ist. „Hormon-produzierende Zellen sind besonders anfällig und haben oft Schwierigkeiten, ihren Fettsäuregehalt zu regulieren. Eine Störung dieser Regulation kann aber zum Zelltod führen und - je nach Zelltyp - Krankheiten wie Diabetes auslösen.“
VIDEO: Tanzende Lipid-Sensoren in einer Membran des Hefepilzes
Seit Jahrzehnten fragen sich Forscher, wie Zellen das Verhältnis von gesättigten und ungesättigten Fettsäuren in ihren Zellmembranen messen. Die Antwort ist denkbar einfach: Durch tänzerischen Bewegungen werden physikalische Eigenschaften der Membran erfühlt, die durch das Verhältnis der Fettsäuren bestimmt werden (Urheber der Simulation: Roberto Covino, MPI of Biophysics). Musik: Barcarolle aus „Hoffmanns Erzählungen“ von Jacques Offenbach (Quelle: www.sonofind.com)
Die ersten Beobachtungen, dass Lebewesen wie Bakterien ihre Fettsäureproduktion an veränderte Umgebungstemperaturen anpassen können, liegen bereits einige Jahrzehnte zurück. Doch bis vor kurzem rätselten Forscher, wie höhere Organismen, zu denen auch Hefepilze gehören, den Anteil gesättigter und ungesättigter Fettsäuren messen und regulieren. Gefördert durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft und die Max-Planck Gesellschaft haben die Arbeitsgruppe um Robert Ernst und Gerhard Hummer vom Max-Planck Institut für Biophysik diese fundamental wichtige Frage erforscht.
Um den Wirkmechanismus eines Membransensors beschreiben zu können, der den Sättigungsgrad im Hefepilz misst, verwendeten die Wissenschaftler einerseits gentechnische und biochemische Methoden. Andererseits simulierten sie die Bewegung von Membranfetten und die dabei wirkenden Kräfte über den Zeitraum von einigen Millisekunden durch umfangreiche molekulardynamische Simulationen.
Wie sie herausfanden, basiert der Mechanismus auf zwei Zylinder-förmigen Strukturen, die sich in biologischen Membranen aneinander lagern. Sie besitzen je eine raue und eine glatte Oberfläche und drehen sich umeinander, wie wenn man zwei Finger in einen Kuchenteig steckt, um durch Drehen zu erfühlen, ob genug Butter darin ist. Da sich gesättigte Membranfette nicht ideal an die raue Oberfläche anlagern können, ungesättigte Fette diese allerdings bevorzugen, ändert sich die Struktur des Fettsensors, wenn ein hoher Anteil gesättigter Membranfette vorliegt. Diese Strukturänderung erlaubt es dann, die Synthese ungesättigter Fettsäuren zu aktivieren.
Abbildung: Während eine Membran aus gesättigten Membranfetten den Sensor aktiviert (grün) und die Synthese ungesättigter Fettsäuren anregt, führt die lockere Packung der ungesättigten Membranfette zur Inaktivierung des Sensors. Dabei drehen sich die Zylinder-förmigen Messfühler in der Membran überaus leichtgängig gegeneinander, so dass ihre raue Oberfläche entweder nach innen (grün) oder nach außen (rot) zeigt. Der Kampf von David, ein Membranfett von 800 Dalton (1 Dalton entspricht der Masse von einem Wasserstoffatom) gegen Goliath, ein Sensor von 120.000 Dalton, wird durch kollektive Kräfte in der Membran (blaue Pfeile) entschieden (Urheber: Robert Ernst).
„Diese Erkenntnis ist ein Türöffner für viele weitere Studien“, prognostiziert Robert Ernst „Mit dem Wissen über diesen subtilen Mechanismus im Hefepilz können wir jetzt zielgerichtet nach weiteren Sensoren suchen, welche die Produktion und Verteilung verschiedenster Fettsäuren und Cholesterin in unserem Körper überwachen und kontrollieren.“ Im Hinblick auf das weitreichende Potential der gewonnenen Erkenntnisse, soll demnächst unter der Mitarbeit der Frankfurter Forscher eine internationale Konferenz organisiert werden, die sich speziell mit der Regulation von Fettsäuren in Membranlipiden beschäftigt. Die Organisatoren erwarten, dass vielfältigen Funktionen der Membranfette künftig unter einem neuen Blickwinkel gesehen werden und dass Hormon-produzierende Zellen gezielter unterstützt werden können.
Weitere Informationen:
Robert Ernst, Buchmann Institut für Molekulare Lebenswissenschaften, Institut für Biochemie, Campus Riedberg, Goethe-Universität Frankfurt, Frankfurt am Main, Tel.: (069) 798-42524, ernst@em.uni-frankfurt.de.
Publikation:
Roberto Covino, Stephanie Ballweg, Claudius Stordeur, Jonas B. Michaelis, Kristina Puth, Florian Wernig, Amir Bahrami, Andreas M. Ernst, Gerhard Hummer, und Robert Ernst (2016) A Eukaryotic Sensor for Membrane Lipid Saturation. Molecular Cell, DOI: http://dx.doi.org/10.1016/j.molcel.2016.05.015 , Link