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Molekulare ‚Gangschaltung‘ im Nervensystem aufgedeckt
Februar 2017. Nervenzellen kommunizieren über chemische Botenstoffe, sogenannte Neurotransmitter (z.B. Azetylcholin), welche eine schnelle und gerichtete Weitergabe von Informationen ermöglichen. Weitere Botenstoffe die im Nervensystem verwendet werden sind Neurohormone und Neuropeptide, die eher modulierende Wirkung haben. Die Freisetzung von solchen Botenstoffen erfolgt an Kontaktpunkten zwischen Nervenzellen, den sogenannten Synapsen. Nervenzellen können ihre Aktivität und somit die Ausschüttung an Neurotransmittern regulieren. Neurotransmitter werden im Neuron in synaptischen Vesikeln, kleinen Membranbläschen, gelagert. Eine elektrische Aktivierung des Neurons führt zum Verschmelzen der Vesikel mit der Außenhülle der Nervenzelle, und damit zur Ausschüttung der Transmitter. Diese erfolgt für gewöhnlich in diskreten Mengen, bestimmt durch das Volumen und den Füllzustand der Vesikel, also quasi in kleinen, definierten Päckchen, auch Quanten genannt. Nun kann die Nervenzelle die Vesikel in geringerer oder höherer Rate fusionieren, und somit mehr oder weniger Quanten pro Zeit freisetzen - gleichsam ein molekulares ‚Gaspedal‘ des Neurons. Es könnte aber auch sinnvoll sein, den Füllzustand der Vesikel verändern zu können, z.B. angepasst an bestimmte Situationen die eine stärkere neuronale Aktivität erfordern. Dies ließe sich, um in der genannten Analogie zu bleiben, als ‚Gangschaltung‘ verstehen: Bei gleichem Gas kann man in einem höheren Gang eine höhere Geschwindigkeit erreichen. Einen solche ‚Gangschaltung der Neurotransmission‘ haben die Forscher um Alexander Gottschalk am Buchmann Institut für molekulare Lebenswissenschaften der Goethe Universität jetzt entdeckt.
Die Forscher fanden heraus, dass ein Signalstoff innerhalb der Nervenzellen zur Aktivierung der Neurotransmission führt. Dieses cyclo-AMP (cAMP) erzeugten sie in den Motorneuronen eines Fadenwurms, Caenorhabditis elegans, durch optogenetische Methoden: Dabei wird eine lichtaktiviertes Enzym, welches cAMP bilden kann, in die Motorneurone des Wurms spezifisch eingebracht (also durch ‚Genetik‘ Methoden dort gebildet) und dann durch Licht stimuliert (‚Opto‘). Die Tiere begannen darauf hin, sich schneller zu bewegen. Durch Elektronenmikroskopie konnten die Forscher nachweisen, dass in den Nervenzellen die Verschmelzung von synaptischen Vesikeln angeregt wurde, dass aber gleichzeitig auch die Größe der synaptischen Vesikel zunahm. Dies war mit einer elektrophysiologisch messbaren Vergrößerung der Transmitter-’Quanten‘ verbunden, d.h. der Füllzustand der Vesikel hatte sich innerhalb weniger Sekunden erhöht, und dies führt bei deren Freisetzung zum verstärkten Bewegungsverhalten der Tiere. Wie die Forscher um Gottschalk weiter ermitteln konnten, wird diese akute ‚Extrafüllung‘ der Vesikel durch Neuropeptide ausgelöst, die die optogenetisch stimulierten Neuronen ausschütten, um ihre ‚Gangschaltung‘ höher zu setzen.
Die Forschungen könnten einen neuen Mechanismus der Kontrolle von Neurotransmission aufgedeckt haben, der nicht nur im Bewegungsnervensystem von Fadenwürmern zum Tragen kommt, sondern vielleicht auch bei Wirbeltieren oder sogar dem Menschen. Neuropeptide gibt es auch in den Motorneuronen höherer Tiere, aber über ihre Funktion ist bislang wenig bekannt. Die Gottschalk Gruppe will nun untersuchen, ob der Mechanismus auch in Zebrafischen, einem Labormodell für Wirbeltiere, zum Tragen kommt. Mehr ...
Kontakt:
Alexander Gottschalk, Buchmann Institut für Molekulare Lebenswissenschaften, Goethe-Universität Frankfurt, Frankfurt am Main, a.gottschalk@em.uni-frankfurt.de
Publikation:
Wagner Steuer Costa, Szi-chieh Yu, Jana F. Liewald, Alexander Gottschalk (2017) Fast cAMP modulation of neurotransmission via neuropeptide signals and vesicle loading. Current Biology, published online 2 February 2017, online:http://dx.doi.org/10.1016/j.cub .2016.12.055. Link
Exzellenzcluster Makromolekulare Komplexe, Frankfurt am Main