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Mit Bierhefe wertvolle Fettsäuren brauen

März 2017. Kurzkettige Fettsäuren sind wertvolle Bestandteile von Kosmetika, pharmazeutischen Wirkstoffen, antimikrobiellen Substanzen, Aromastoffen oder Seifen. Bisher sind sie nur durch aufwändige Extraktion aus bestimmten Pflanzen wie der Kokosnuss oder chemisch aus Erdöl zu gewinnen. Den Arbeitsgruppen von Martin Grininger und Eckhard Boles von der Goethe-Universität Frankfurt ist es gelungen, solche Fettsäuren mithilfe von Hefen einfach und in großen Mengen aus Zucker oder zuckerhaltigen Abfällen in einem dem Bierbrauen ähnlichen Prozess herzustellen.

Wie die Wissenschaftler in den aktuellen Ausgaben der renommierten Zeitschriften Nature Chemical Biology und Nature Communications mitteilen, sind die kurzkettigen Fettsäuren auch als Vorstufe von Treibstoffen begehrt. „Die neue Technologie kann ein Schlüsselschritt sein, um über Hefen einen alternativen Zugang zu neuartigen Biokraftstoffen zu finden, deren Eigenschaften denen fossiler Kraftstoffe nahezu entsprechen“, erklärt Eckhard Boles vom Institut für Molekulare Biowissenschaften.Die von Pflanzen und Tieren produzierten Fettsäuren bestehen zu einem großen Anteil aus Ketten von 18 Kohlenstoffatomen. Sie sind also länger als die gewünschten kurzkettigen Verbindungen. In lebenden Zellen stellen große Proteinkomplexe, die Fettsäuresynthasen, Fettsäuren her. Dabei fügen sie 9 Bausteine aus jeweils 2 Kohlenstoffatomen in einem Prozess aus 8 Zyklen zusammen. Martin Grininger, Lichtenberg-Professor der VolkswagenStiftung an der Goethe-Universität und Forschungsgruppenleiter am Buchmann Institut für Molekulare Lebenswissenschaften (BMLS), war mitbeteiligt an der Aufklärung der dreidimensionalen Struktur der Fettsäuresynthasen. Mit seinem detaillierten Wissen über deren Wirkmechanismus konnte er gezielt in diesen eingreifen.

„Wir haben zunächst untersucht, wie die Fettsäuresynthase Zyklen zählt, um zu entscheiden, wann die Kette fertig ist. Gefunden haben wir eine Art Lineal, das die Länge der Fettsäure misst“, erklärt Martin Grininger. „Dieses Lineal haben wir so verändert, dass die Fettsäuresynthase sich vermisst und kürzere Ketten frei setzt. Das alles geschah zunächst am Computer und im Reagenzglas“.

Mit Eckhard Boles, der im benachbarten Biozentrum am Stoffwechsel von Hefen forscht, entstand dann die Idee, Griningers veränderte Fettsäuresynthasen in Hefen einzusetzen. „Diese Hefen schieden auf einmal die kurzkettigen Fettsäuren in beachtlichen Mengen aus“, berichtet Boles. „Damit können wir nun wie beim Bierbrauen anstelle von Alkohol die wertvollen kurzkettigen Fettsäuren produzieren.“ Grininger und Boles ergänzen: „Diese Entwicklung ist erst der Anfang. Wir wollen jetzt durch ähnliche Veränderungen an anderen großen Enzymkomplexen, den Polyketidsynthasen, weitere neuartige Moleküle für die chemische und pharmazeutische Industrie synthetisieren, die sonst nur schwer zugänglich sind.“

Die Universität Frankfurt hat die Entwicklungen durch zwei europäische und internationale Patentanmeldungen schützen lassen und sucht nun nach Lizenznehmern für kommerzielle Anwendungen. Grininger und Boles entwickeln ihre Technologie zusammen in verschiedene Richtungen weiter. In dem von der Europäischen Union geförderten Projekt „Chassy“ soll die Technologie zur Industriereife gebracht werden. Zudem sollen in dem vom Land Hessen finanzierten LOEWE-Projekt „MegaSyn“ über die Veränderung von Polyketidsynthasen weitere chemische Verbindungen hergestellt werden. Und in dem vom Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft geförderten Projekt „Alk2Bio“ werden die Hefen so weiterentwickelt, dass sie aus den kurzkettigen Fettsäuren die Biokraftstoffe Oktanol und Heptan produzieren.


Kontakte:
Martin Grininger, Buchmann Institut für Molekulare Lebenswissenschaften und Institut für Organische Chemie und Chemische Biologie, grininger@chemie.uni-frankfurt.de
Eckhard Boles, Institut für Molekulare Biowissenschaften, e.boles@bio.uni-frankfurt.de
Goethe University Frankfurt,  Campus Riedberg, Frankfurt am Main

 

Publikationen:
Gajewski, J., Buelens, F., Serdjukow, S., Janßen,M., Cortina, N., Grubmüller, H. and Grininger, M. (2017) Engineering fatty acid synthases for directed polyketide production. Nat. Chem. Biol., published online 20 February 2017. http://dx.doi.org/10.1038/nchembio.2314

Gajewski, J., Pavlovic, R., Fischer, M., Boles, E. and Grininger, M. (2017) Engineering fungal de novo fatty acid synthesis for short chain fatty acid production. Nat. Commun., published 10 Mar 2017. http://dx.doi.org/10.1038/ncomms14650

 

Exzellenzcluster Makromolekulare Komplexe, Frankfurt am Main